In den am stärksten betroffenen Gebieten regnet es so viel, dass der Eispanzer auch um die kleinsten Zweige herum zu einer zentimeterdicken Glasur anwächst. Doch was fürs Auge so wunderschön anzuschauen ist, wird für die Natur zum katastrophalen Ballast. Bild: Manfred Hubrig
Am 2. März 1987 ist es in Teilen Deutschlands zu einer extremen Eisregen-Wetterlage gekommen. In einem rund 70 Kilometer breiten Streifen vom Münsterland über Ostwestfalen, Südniedersachsen, Osthessen und den Osten Bayerns hinweg bis zu den Alpen fällt bei Minusgraden den ganzen Tag Dauerregen. Bild: dpaAn unterkühlten Oberflächen frieren die Regentröpfchen schlagartig fest. Sie umhüllen alles, was ihnen ausgesetzt ist, wie Gelee mit einer kompakten Kruste aus klarem Eis. Bild: Manfred HubrigSchwer hängen hier die Leinen einer Wäschespinne unter dem stetig wachsenden Gewicht des Eisbehangs durch. Kleine Eiszapfen zeigen an, dass der Frost schneller ist, als der Regen abtropfen kann. Bild: Petra HubrigIn den Regionen mit dem stärksten Regen werden nicht nur Bäume, Sträucher und Gebäude, sondern auch Wegweiser und Verkehrsschilder von einem zentimeterdicken Eispanzer überzogen. Eiszapfen sind in der Strömungsrichtung des Windes verformt. Bild: Petra HubrigDas fein verzweigte Geäst vieler Gewächse wird im Licht der Folgetage zum filigranen Kunstwerk aus gläsern funkelndem Eis. Bild: Manfred Hubrig Auch Autos verschwinden unter einer dicken Hülle blanken Eises und frieren über mächtige Eiszapfen sogar teilweise an ihrem Stellplatz fest. Bild: Petra HubrigAuslöser der extremen Wetterverhältnisse ist ein kleines Tief, das von den Niederlanden über das westliche Deutschland hinweg Richtung Ostalpen zieht. Seine Wetterfronten trennen Frostluft im Nordosten von milder Atlantikluft im Südwesten. Das Tief rutscht genau entlang dieser Luftmassengrenze nach Südosten. Enorme Temperaturgegensätze: Minus 7 Grad nordöstlich der Front stehen fast 10 Grad an Rhein und Ruhr gegenüber. Weil sich die milde Luft in der Höhe über die Frostluft schiebt, kann es in die kalte Grundschicht hinein regnen. Nach Nordosten hin ist die Kaltluftschicht mächtiger, dort herrscht heftiges Schneetreiben. Nach stundenlangem gefrierendem Regen ächzen die Wälder unter der wachsenden Eislast. Äste brechen ab und im Minutentakt stürzen Bäume um. Daraufhin müssen zahlreiche Straßen gesperrt werden. Bahnstrecken werden ebenfalls blockiert und der Zugverkehr kommt vielerorts zum Erliegen. Bild: dpaDer Aufenthalt im Wald wird für Spaziergänger zum gefährlichen Glücksspiel: Ständig ist das Knacken und Krachen überlasteter Bäume zu hören. Geben Äste oder gar ganze Baumkronen nach und stürzen zu Boden, klingen die zerbrechenden Eishülsen wie zerspringendes Glas. Bild: Manfred Hubrig In den am stärksten betroffenen Gebieten regnet es so viel, dass der Eispanzer auch um die kleinsten Zweige herum zu einer zentimeterdicken Glasur anwächst. Doch was fürs Auge so wunderschön anzuschauen ist, wird für die Natur zum katastrophalen Ballast. Bild: Manfred Hubrig Selbst in offenem Gelände abseits der Hauptverkehrsadern besteht Gefahr: Denn oft säumen Büsche und schmale Baumreihen die Feldwege entlang von Gemarkungsgrenzen und können jederzeit niederkrachen. Der Eisbehang belastet die Bäume bis hin zum achtzigfachen ihres Eigengewichtes. Bild: Manfred HubrigBirken neigen sich teils bis zum Boden ohne zu brechen. Sie sind enorm biegsam und halten dem Gewicht des gläsernen Eispanzers daher erstaunlich lange stand. Letztlich verlieren aber auch sie den Kampf gegen die eisige Naturgewalt: Viele richten sich auch nach Ende der "Eiszeit" nicht mehr auf. Bild: Manfred Hubrig Am Abend zieht das Tief südostwärts ab. Bei böigem Nordostwind geht der gefrierende Regen in Eiskörner und schließlich in Schneeflocken über. Eine dünne Schicht Pulverschnee überzuckert die erstarrte Natur. Die Kronen der auf die Straße geneigten Bäume bleiben am Boden festgefrorenen. Bild: Manfred Hubrig Nach einer eisigen Nacht mit zweistelligen Minusgraden entpuppt sich hier eine verschneite Ortschaft als bizarr funkelnde Eiswelt. Während Nadelbäume nur wenig in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist es um die meisten anderen Gewächse auch in den Gärten schlecht bestellt. Bild: Manfred Hubrig Teils sind die Kronen der Bäume ausgebrochen, teils biegen sie sich bedrohlich weit hinaus über Vorgärten, Wege und Straßen. Sie drohen noch tagelang bei jedem stärkeren Windstoß abzubrechen. Bild: Manfred HubrigManche Baumgruppe sieht so aus, als sei sie von einer Riesenfaust zu Boden gedrückt worden und beim Versuch sich wieder aufzurichten erstarrt. Bild: Manfred HubrigWeil nun aber auch tagsüber Dauerfrost herrscht, hat die Natur zunächst keine Chance, sich von der erdrückenden Eislast zu befreien. So mancher Baum kann sich auch nach Ende der eisigen Wetterperiode nicht mehr von den Strapazen erholen. Bild: Manfred HubrigAnders als hier sind auch viele Überlandleitungen zerstört worden. Teils haben umstürzende Bäume die Leitungen zerrissen, teils sind sogar stabile Stahlmasten unter dem Gewicht der Eislast in sich zusammengebrochen. Vor allem Ostwestfalen ist von massivem Eisbruch betroffen. Bild: Frank HubrigNoch bis Mitte März bleibt es winterlich kalt mit strengen Nachtfrösten. Weil der Eisbehang in den Wäldern daher nur langsam schwindet, bleiben sie noch wochenlang für Wanderer gesperrt. Die Spuren dieses extremen Eisregens im März 1987 sind aber auch noch Jahre später zu erkennen. Bild: Manfred Hubrig