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Antarktis: Temperaturrekorde zum Herbstanfang

16:49
20. März 2022

Ursache ist nicht nur der Klimawandel
Südpol: Rekorde zum Herbstanfang

Messstation an der antarktischen KüsteVon diversen Messpunkten in der Ostantarktis sind in den vergangenen Tagen Wärmerekorde gemeldet worden. - © dpa

Am kältesten Punkt der Erde ist ein Wärmerekord aufgestellt worden. Die Wostok-Messstation in der Antarktis meldete kurz vor dem kalendarischen Herbstbeginn minus 17,7 Grad, so hoch war die Temperatur im März noch nie seit Beginn der Messungen. Allerdings ist nicht nur der Klimawandel dafür verantwortlich.

Im Osten der Antarktis sind in den vergangenen Tagen ungewöhnlich hohe Temperaturen gemessen worden. Experten zufolge lagen sie zwanzig bis dreißig Grad höher als der Durchschnitt für diese Jahreszeit. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sprechen von einem "historischen Ereignis".

Temperaturrekorde in der AntarktisViele Stationen rund um den Südpol verzeichnen neue Temperaturrekorde.

Die russische Forschungsstation Wostok zum Beispiel, wo im Winter des Jahres 1983 mit minus 89,3 Grad die niedrigste jemals auf der Erde gemessene Temperatur registriert worden war, meldete am vergangenen Freitag minus 17,7 Grad. So "warm" war es dort noch nie in den zurückliegenden 63 Jahren, seit dort die Temperaturen aufgezeichnet werden. Zu dieser Jahreszeit liegen die Durchschnittstemperaturen üblicherweise bei minus 53 Grad.

Die Station Dome Concordia, einer von Italien und Frankreich betriebenen wissenschaftlichen Forschungsstation in einer Höhe von 3000 Metern, meldete minus 11,5 Grad. Gemessen wird dort jedoch erst seit 2005. Die Station Dumont d'Urville an der Ostküste registrierte mit plus 4,9 Grad ebenfalls eine Rekordtemperatur für den Monat März. Am kältesten war der 18. März mit 0,2 Grad plus.

Station Dumont d'Urville an der OstküsteDie Station Dumont d'Urville an der Ostküste registrierte mit 4,9 Grad eine Rekordtemperatur für den Monat März.

Ungewöhnliches Ereignis

Erstaunlich ist der Temperaturrekord auch wegen seines Zeitpunkts: In der Antarktis beginnt jetzt der Herbst, die Region verliert täglich etwa 25 Minuten Sonnenlicht.

Der französische Geowissenschaftler Jonathan Wille aus Grenoble sagte, es sei schwierig, diesen Fall direkt dem Klimawandel zuzuordnen. Allerdings schaffen die global gestiegenen Temperaturen die Voraussetzungen für Wärmeperioden in der Antarktis.

Der US-Wissenschaftler Walt Meier sagte, wahrscheinlich habe ein sogenannter "großer atmosphärischer Fluss" warme und feuchte Luft vom Pazifik her Richtung Südpol gepumpt.

Seltene Wetterlage mit "atmosphärischem Fluss"

Wenige Tage vor dem kalendarischen Herbstanfang auf der Südhalbkugel hatte sich südlich von Australien und Neuseeland ein kräftiges Hochdruckgebiet etabliert, das sich bis zum östlichen Teil des antarktischen Kontinents erstreckte. Weiter westlich drehte ein ausgedehntes Tiefdruckgebiet seine Kreise über dem Ozean.

Wetterlage vor kalendarischen HerbstanfangZwischen einem Tief und einem Hoch strömte warme und feuchte Luft bis zu Antarktis.

Dazwischen strömte außergewöhnlich warme und teils feuchte Luft nach Süden zur Antarktis. Die Lage der Druckgebiete veränderte sich dabei kaum, sodass die warme Anströmung einige Tage anhielt.

Die warme Meeresluft wurde nahe des Tiefdruckgebiets zum Aufsteigen gezwungen. Ein "atmosphärischer Fluss" entstand, der bis zur Küste reichte und nachfolgend das Hochplateau rund um Wostock mit Wolken und feuchter Luft überströmte, wie dieses Satellitenbild zeigt. In der Höhe war es so mild, dass es in den Küstenregionen auch regnete.

In den nächsten Tagen "normalisiert" sich die Wetterlage und es wird dort wieder deutlich kälter.

Der meiste Schnee stammt aus Extremwetterlagen

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von der University of California in San Diego haben vor zwei Jahren in einer Studie veröffentlicht, dass mehr als 40 Prozent der Schneemassen in der Antarktis aus Extremwetterlagen stammen. Von denen wurden wiederum zwei Drittel durch atmosphärische Flüsse verursacht.

Diese unterschieden sich von den "normalen" Winterstürmen in der Region, weil sie deutlich mehr Wasserdampf heranführten, der an Land dann kräftig niederschneite.

Diese atmosphärischen Flüsse in 2000 bis 4000 Meter Höhe beginnen in den subtropischen Breiten der Südhalbkugel und legen riesige Distanzen über das Meer zurück, bis sie auf den Südkontinent treffen. Ein solches Ereignis mit kräftigen Schneefällen wurde im Winter 2019 in der Westantarktis beobachtet.

Ungewöhnliche Kälte im Winter 2021

Wostock Kälterekord 2021Am 1. Oktober 2021 meldete die russische Forschungsstation Wostok minus 79,4 Grad. Die niedrigste je gemessene Temperatur im Oktober beträgt dort minus 80 Grad.

Ein anderes Extrem erlebte man vor rund einem halben Jahr. An der Forschungsstation Wostok wurden Anfang Oktober 2021 minus 79,4 Grad gemessen. Der gesamte Winter verlief am Südpol rekordverdächtig kalt.

An der amerikanischen Amundsen-Scott-Station waren es sogar die kältesten Monate des Südwinters seit Aufzeichnungsbeginn im Jahre 1957. Mit durchschnittlich minus 61 Grad war der Winter sogar 4,5 Grad kälter als der Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre.

Ursache der niedrigen Temperaturen war ein ausgeprägter Polarwirbel über dem Südpol. Die Winde am Rande des Wirbels waren besonders stark, sodass die kalte Luft meistens über der Antarktis "eingeschlossen" blieb und sich nicht mit wärmerer Luft aus den mittleren Breiten vermischen konnte.

Auch über dem Nordpol bildet sich im Winter in 15 bis 50 Kilometer Höhe der Polarwirbel aus. Obwohl er eigentlich weit über den Wolken liegt, beeinflusst er maßgeblich unser Wetter. Verena Leyendecker erklärt den Polarwirbel genauer und zeigt, wie er unser Wetter lenkt.

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