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Winter 1978/79 - Spezial

Chronik einer Schneekatastrophe

Der Jahrhundertwinter 1978/79

Mit einem extremen Temperatursturz von plus 10 auf bis zu minus 20 Grad ist zum Jahreswechsel 1978/79 die schlimmste Schneesturmkatastrophe der vergangenen 100 Jahre über Mitteleuropa hereingebrochen. Weite Teile Norddeutschlands erstarrten unter meterhohen Schneeverwehungen.

Häuser und Gehöfte ersticken im Schnee

Den älteren unter uns wird der Schneesturm zum Jahreswechsel 1978/79 noch in Erinnerung sein: Zum Jahreswechsel 1978/79 tobte in Norddeutschland der wohl schwerste Schneesturm des vergangenen Jahrhunderts. Bild: Egon Nehls

Vorangegangen war der extremen Kältewelle ein massives Weihnachtstauwetter mit starkem Regen bis in die Gipfellagen der Mittelgebirge hinauf. Viele Flüsse führten deshalb zwischen den Jahren Hochwasser und in den Alpen schmolz der Schnee bis in über 2000 Meter Höhe. Am Morgen des 29. Dezember war es am Oberrhein bei Südwestwind noch plus 10 Grad mild, während der äußerste Norden Deutschlands bei eisigem Nordoststurm bereits von sibirischer Frostluft überrollt wurde.

Kurz darauf bildete sich über den nördlichen Mittelgebirgen eine scharfe Luftmassengrenze, an der bis zur Neujahrsnacht mehrere Randtiefs nach Osten zogen. Sie brachten im Süden sintflutartigen Regen, der Norden versank dagegen im Schnee. Direkt an der Luftmassengrenze schob der Nordoststurm eine nur wenige Hundert Meter dicke Schicht aus Frostluft wie einen Keil unter die milde Höhenluft, sodass stundenlanger, massiver Eisregen extremes Glatteis verursachte, bevor der Schneesturm begann.

Eine Schneemauer versperrt den Weg

Bei arktischen Minusgraden tobte der Schneesturm mehr als 72 Stunden lang. Teils meterhohe Schneewehen waren die Folge. Bild: Egon Nehls

Vor allem dieser von gefrierendem Regen verursachte Eispanzer war es, der zu massiven Problemen führte. Windschutzscheiben von Autos vereisten binnen Minuten, Straßen verwandelten sich in spiegelglatte Eisbahnen und wurden unpassierbar. Die Weichen der Gleisanlagen der Bahn froren ein und ließen sich nicht mehr schalten. Dann kam der Schneesturm. Flughäfen mussten geschlossen und selbst der Fährverkehr eingestellt werden. Die Natur legte den gesamten Verkehr auf der Straße, auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft auf einen Streich lahm.

Am Silverstertag verschärften sich die Temperaturunterschiede weiter und erreichten auf wenigen Dutzend Kilometer teils über 15 Grad. Zugleich setzte sich die Front südwärts in Bewegung, erfasste nachmittags die zentralen Mittelgebirge und flutete bis zum Neujahrsmorgen mit einem Temperatursturz um rund 25 Grad auch den gesamten Süden des Landes. Eis und Schnee legten auch dort den Verkehr lahm und nur weil die Eisfront inzwischen Fahrt aufgenommen hatte, waren die Folgen nicht ganz so schlimm wie zuvor im Norden.

Die historische Bodenwetterkarte vom 31.12.1978 abends

Die Isobaren- und Frontenkarte zeigt die Lage der Eisfront am Silvesterabend. Die unterschiedlichen Temperaturzonen sind in 5-Grad-Schritten durch die verschiedenen Farben dargestellt. Grafik: Jürgen Vollmer/Vectur & Icon

In Schleswig-Holstein und auf der Insel Rügen, wo der Schneesturm bei arktischen Minusgraden mehr als 72 Stunden lang tobte, blockierten meterhohe Schneeverwehungen alle Verkehrsverbindungen. Ganze Landstriche waren von der Außenwelt abgeschnitten, das Strom- und Telefonnetz teils zusammengebrochen und tausende Menschen mit ihren Autos oder in Zügen der Bahn in den Schneemassen stecken geblieben. In vielen Ostseehäfen hatte der Sturm zudem Hochwasser in die Buchten gedrückt und Eisschollen zu meterhohen Eisbarrieren aufgetürmt.

Im nördlichsten Bundesland war Katastrophenalarm ausgelöst worden. Wasserleitungen waren eingefroren und zahllose Haushalte ohne Strom und Heizung. Tausende von Helfern waren tagelang im Hilfseinsatz. Sie unterstützten die Rettungskräfte der Polizei, der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks. Einheiten der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes halfen mit Bergepanzern bei der Räumung der gewaltigen Schneemassen und bei der Suche nach eingeschlossenen oder vermissten Menschen.

Würzburg nach dem Temperatursturz am Neujahrstag

Nachdem die Eisfront in der Silvesternacht auch Süddeutschland überquert hat, herrscht am Neujahrsmorgen bei minus 17 Grad strahlender Sonnenschein. 24 Stunden zuvor war es noch plus 10 Grad mild. Bild: Jürgen Senkbeil

Erst viele Tage nach Ende des Schneesturms normalisierte sich das Leben allmählich wieder, Deutschland erwachte aus einer Eiszeit, wie man sie in dieser Wucht kaum für möglich gehalten hätte. Die erschütternde Bilanz der Naturkatastrophe: 17 Menschen verloren allein in der Bundesrepublik infolge von Unfällen, Erschöpfung oder durch Erfrieren das Leben. Mindestens fünf weitere Todesopfer waren in der DDR zu beklagen, wo der Sturm ebenfalls vor allem im Norden und dort ganz besonders verheerend auf der Insel Rügen gewütet hatte.

Aber auch unzählige Wild-, Haus- und Nutztiere fielen der eisigen Katastrophe zum Opfer und gingen elend zu Grunde. Sie konnten nicht mehr versorgt und das Vieh nicht gemolken werden, nachdem großflächige Stromausfälle die elektrischen Melkanlagen der landwirtschaftlichen Betriebe unbrauchbar gemacht hatten. Der volkswirtschaftliche Schaden der Unwetterkatastrophe belief sich im Westen Deutschlands auf 140 Millionen D-Mark.

Lesen Sie im nächsten Teil welche dramatischen Auswirkungen die Schneestürme in der DDR hatten.

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